Am 1. Juni 2022 führte das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen Online-Workshop zur strafrechtlichen Vermögensabschöpfung durch. Das Thema ist von besonderer rechtsstaatlicher Relevanz, da es ein Gebot des Rechtsstaates ist, dass ein Straftäter aus einer Straftat keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen darf, zugleich aber die Rechte der Geschädigten und des Täters bei der Vermögenseinziehung hinreichend berücksichtigt werden müssen. Die Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, die bei Gesetzgebungsentwürfen und Gesetzesnovellierungsentwürfen in der Regel federführend ist, und die Gesetzgebungsprozesse mit Forschung und Beratung unterstützt, wollte sich darüber informieren, wie in Deutschland mit der Thematik umgegangen wird.
Eröffnet wurde der Workshop durch den stellvertretenden Leiter der Abteilung für Strafrecht der Rechtsarbeitskommission, Herrn Huang Yong, der den deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmern den Diskussionsstand zu Problemen der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung in China erläuterte. So wird in China insbesondere erörtert, wie der Schutz des Geschädigten bei der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung gestärkt werden kann. Zudem besteht in China das Problem, dass Tatverdächtige oder Angeklagte während eines laufenden Ermittlungs- oder Strafverfahrens die von den Geschädigten erlangten Vermögensgegenstände verbergen, an Dritte übertragen oder beiseiteschaffen, was dazu führt, dass die Gegenstände nicht oder nur schwer an die Geschädigten zurückgegeben werden können.
Als Referenten zum deutschen Recht hatte die das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation Herrn Thomas Merz, Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm, und Frau Dr. Susanne Grasser, Oberstaatsanwältin bei der Generalstaatsanwaltschaft München und der Zentralen Koordinierungsstelle für Vermögensabschöpfung in Bayern (ZKV BY) zu der Veranstaltung eingeladen. In dem Beitrag von Herrn Merz ging es vor allem um die im Jahr 2017 grundlegend reformierten Rechtsgrundlagen, Maßnahmen zur Einziehung im Ermittlungsverfahren, den Umgang mit rechtskräftig eingezogenen Gegenständen und um die Bedeutung der Einziehung in der Praxis. Danach ging Frau Dr. Grasser in ihrem Vortrag auf die Einziehung im gerichtlichen Verfahren, den Nachweis der Herkunft eines Gegenstandes aus einer Straftat, die Rechte der Geschädigten im Verfahren und das selbständige Einziehungsverfahren ein. Beide Referenten berichteten außerdem von den bisherigen Praxiserfahrungen mit den geänderten Vorschriften.
In der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Beweisanforderungen an den Herkunftsnachweis sowie die Rechte des Geschädigten im Zusammenhang mit der Einziehung. Hier zeigte sich, dass die beiden Rechtsordnungen unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Nach chinesischem Verständnis erfolgt die Einziehung nicht zuletzt auch im Interesse des Geschädigten. In Deutschland geht es dagegen in erster Linie darum, die mit der Begehung von Straftaten zusammenhängenden Vermögensgegenstände aus dem Rechtsverkehr zu entfernen. Allerdings kann der Geschädigte auch nach den deutschen Vorschriften erreichen, dass eingezogene Gegenstände auf ihn zurückübertragen werden.
Zum Abschluss der Veranstaltung äußerte Herr Huang Yong Interesse an einer Vertiefung des fachlichen Austausches im Bereich des Strafrechts. Das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation wird diesen Austausch in den kommenden Monaten und Jahren weiter unterstützen und fachlich begleiten.