Vom 19. bis 28. September 2017 besuchte eine zehnköpfige chinesische Richterdelegation die Länder Berlin und Brandenburg. Die Delegation umfasste sowohl Vertreter des Obersten Volksgerichts der VR China als auch der Oberen und Mittleren Volksgerichte des Autonomen Gebiets Innere Mongolei und der Provinz Shandong im Nordosten Chinas.
Zu Beginn der Reise wurde die Delegation in der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung von dem Präsidenten des Gemeinsamen Justizprüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg begrüßt.
Die folgenden Tage standen im Zeichen des Insolvenzrechts. Wegen der zunehmenden Bedeutung des privatwirtschaftlichen Sektors in China wird dieses Rechtsgebiet in der Rechtspraxis immer wichtiger. Am Amtsgericht Charlottenburg, am Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg und am Kammergericht Berlin diskutierte die chinesische Delegation mit deutschen Insolvenzrichtern und einem Insolvenzverwalter über Fragen der Unternehmens- und Privatinsolvenz. Am Kammergericht nahm die Delegation zudem an einer mündlichen Verhandlung teil und gewann dadurch Einblicke in den Ablauf zivilrechtlicher Gerichtsverfahren.
Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt lag im Bereich Strafprozessrecht. Am Kriminalgericht Moabit und am Landgericht Potsdam wurden Workshops zu den Themen Zeugenschutz und Erscheinen von Zeugen bei Gericht abgehalten. Um den Gästen aus Fernost ein umfassendes Bild der deutschen Justizpraxis zu vermitteln, nahmen an diesen Workshops auch Vertreter der Staatsanwaltschaft teil und referierten zur Rolle der Staatsanwaltschaft im Strafprozess. Am Kriminalgericht nahm die Delegation zudem an einer Hauptverhandlung teil. Besonders auffallend fanden die chinesischen Gäste das im Vergleich zu China höhere Gewicht, das im deutschen Strafprozess der Zeugenbefragung in der Hauptverhandlung als Beweismittel beigemessen wird.
In Potsdam wurde die Delegation am Landesministerium für Justiz von Herrn Staatssekretär Dr. Pienkny empfangen, der Fragen zur Rolle des Ministeriums in der Justizverwaltung beantwortete. Ein Besuch des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg rundete den Überblick über die Landesgerichtsbarkeit ab.
Den fachlichen Abschluss der Reise bildete ein Workshop zu den Themen Digitalisierung der Justiz und Zeugenschutz am Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Dabei stellte die Delegation die umfassenden Digitalisierungsmaßnahmen in der chinesischen Justiz vor, die neben der Einführung der elektronischen Akte auch die Vernetzung der gesamten Gerichtsbarkeit, den Aufbau einer landesweiten Urteilsdatenbank und teilweise sogar die Online-Übertragung von Gerichtsverfahren umfasst.
Natürlich war auch die anstehende Bundestagswahl Thema des Besuchs. Die Delegation hatte die Gelegenheit, wenige Tage vor der Wahl mit einem Bundestagsabgeordneten über aktuelle Fragen der deutschen und internationalen Politik zu diskutieren. Beim anschließenden Besuch des Bundestages erlangten die Delegationsteilnehmer auch ein tieferes Verständnis für dessen Funktionsweise. Die Allgegenwärtigkeit der Geschichte für die Gegenwart fiel der Delegation beim Besuch des geschichtsträchtigen Reichstagsgebäudes auf. Am Wahlsonntag besuchte die Delegation zudem ein Wahllokal, wo sie beobachten konnte, wie Bürger ihre Stimme abgaben, und der Wahlleiter die Fragen der chinesischen Besucher zum Wahlvorgang beantwortete.
Neben dem fachlichen Programm blieb auch Zeit, um einige der Berliner Sehenswürdigkeiten zu besichtigen. Schließlich gaben gemeinsame Abendessen mit ehemaligen Teilnehmern am Richteraustausch die Möglichkeit, alte Freundschaften zu erneuern und neue Freundschaften zu schließen. Besonders in Erinnerung wird dabei sicher allen Teilnehmern der stimmungsvolle Gesang der Richter aus der Inneren Mongolei bleiben.