In der Zeit vom 04. bis 10. November 2019 besuchte eine zehnköpfige chinesische Richterdelegation Nordrhein-Westfalen. Der Delegation gehörten Vertreter sowohl des Obersten Volksgerichts der VR China als auch der Oberen und Mittleren Volksgerichte des Autonomen Gebiets Ningxia sowie der Provinz Gansu an. Damit wurde die bereits seit 2011 bestehende Partnerschaft zwischen den beiden chinesischen Provinzen und der nordrhein-westfälischen Justiz vertieft.
Zu Beginn der Reise wurde die Delegation im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen durch den Leiter der Abteilung II, Dr. Andreas Christians, empfangen. Die Richterinnen und Richter wurden mit dem Justizsystem und der Juristenausbildung in Deutschland vertraut gemacht. Bei der Diskussion ging es unter anderem auch um die Rolle der Richter innerhalb der Gesellschaft.
Im Mittelpunkt der Delegationsreise stand sodann der fachliche Austausch mit deutschen Richterkollegen bei dem Amtsgericht Köln und dem Landgericht Essen sowie mit Staatsanwälten der Generalstaatsanwaltschaft Hamm. In Workshops wurden Fragen zum Gerichts- und Rechtsalltag in unterschiedlichen Rechtsgebieten thematisiert und lebhaft diskutiert. Einige der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten bereits Erfahrungen mit der chinesischen Rechtskultur aus vorherigen Richteraustauschreisen.
Ein erster Schwerpunkt der Workshops betraf die Rechtsbehelfe und die Amtshaftung im Bereich der Zwangsvollstreckung. Während sich hier bei den Rechtsgrundlagen viele Gemeinsamkeiten beider Rechtskreise feststellen ließen, weisen die Verfahren in beiden Staaten deutliche Unterschiede auf.
Bei der Generalstaatsanwaltschaft Hamm lernte die Delegation die Zentrale Organisationsstelle für Vermögensabschöpfung Nordrhein-Westfalen kennen, eine zum Zeitpunkt ihrer Einrichtung einzigartige Institution. Der Abschöpfung der durch Straftaten erlangten Vermögensgegenstände kommt vor allem bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität eine zentrale Bedeutung zu. Hier hat der deutsche Gesetzgeber durch eine seit 2017 geltende Gesetzesreform weitreichende Handlungsspielräume für Ermittlungsbehörden und Gerichte geschaffen, die über die nach dem chinesischen Recht bestehenden Möglichkeiten hinausgehen.
Am folgenden Tag stand bei dem Landgericht Essen zunächst das Wiederaufnahmeverfahren im Zivilrecht und das sich dabei ergebende Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und materieller Wahrheit im Mittelpunkt der Diskussion. Die Delegation nutzte danach die Gelegenheit, eine Gerichtsverhandlung in Zivilsachen zu besuchen.
Den Abschluss des Besuchsprogramms bildete ein weiterer Besuch bei dem nordrhein-westfälischen Justizministerium. Hier wurde die Delegation durch den Staatssekretär Dirk Wedel begrüßt. Daran schloss sich ein Workshop zu Fragen der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen, insbesondere der Auslieferung an.
Während der gesamten Reise hatten die Delegationsteilnehmer außerdem Gelegenheit, die Geschichte und die Kultur der Region näher kennenzulernen, etwa bei Besuchen des Kölner Doms und der Villa Hügel in Essen.