Am 13. Oktober 2022 richtete das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ, beauftragt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, in Zusammenarbeit mit der Ostchinesischen Universität für Politik und Rechtswissenschaft eine Dialogveranstaltung zu Digitalisierungsfragen im Kartellrecht aus. Kerninhalt der Veranstaltung waren die gesetzlichen Neuregelungen, mit denen erst kürzlich sowohl Deutschland als auch China auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagiert haben.
Zu Beginn des ersten Veranstaltungsblocks, der der Verschaffung eines Überblicks über beide Kartellrechtssysteme diente, erläuterte Herr Prof. Wang Xianlin (Shanghai Jiao Tong Universität), Mitglied des Expertenrats des Antimonopolausschusses des Staatsrats, systematisch den Hintergrund, den Inhalt und die Merkmale der ersten Revision des chinesischen Antimonopolgesetzes. Dabei betonte er die mit dem Wandel von der Plan- zur Marktwirtschaft geborene und mit den großen Tech-Unternehmen des letzten Jahrzehnts immens gewachsene Bedeutung eines gesetzlich geschützten fairen Wettbewerbs in China. Anschließend stellte Herr Prof. Körber (Universität zu Köln) den Inhalt und die Merkmale der neunten und zehnten GWB-Novellen vor, die das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen („GWB“) um zahlreiche Digitalisierungsaspekte ergänzten, und gab eine zukunftsorientierte Analyse der elften und zwölften GWB-Novellen.
Im Rahmen des zweiten Veranstaltungsblocks legten Frau Hossenfelder, Leiterin der Abteilung für Grundsatzfragen des Kartellrechts vom Bundeskartellamt, und Frau Prof. Wang Xiaoye (Shenzhen Universität) den Fokus auf praktische Anwendungsfälle der neuen gesetzlichen Vorschriften. Im Zentrum der Ausführungen stand auf deutscher Seite die erweiterte Missbrauchsaufsicht des Bundeskartellamts: § 19a GWB n.F. ermächtigt das Bundeskartellamt nach Feststellung einer überragenden marktübergreifenden Bedeutung eines Unternehmens dazu, diesem konkrete wettbewerbsrelevante Verhaltensweisen zu untersagen.
Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gemeinsam mit den Referentinnen und Referenten über Grundsatzfragen wie die Abwägung und den Ausgleich zwischen der Monopolbekämpfung einerseits und Innovationsförderung andererseits; zudem wurde der genaue Gesetzeswortlaut einiger Neuregelungen genauer untersucht und bei Unterschieden im deutschen und chinesischen Recht die Motive des jeweiligen Gesetzgebers beleuchtet. Die angeregte Diskussion und die Vielfalt der besprochenen Themen zeigte, dass von beiden Seiten großes Interesse an einer weiteren und vertieften Zusammenarbeit im Bereich des Kartellrechts besteht. Vor diesem Hintergrund wie auch mit Blick auf die Dynamik und wirtschaftliche Relevanz der Thematik, insbesondere auch für deutsche Unternehmen in China, wird das Rechtskooperationsprogramm der GIZ den Austausch auf diesem Gebiet auch in Zukunft weiter vorantreiben.