Am 13. und 14. Oktober 2022 führte das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) einen deutsch-chinesischen Onlineworkshop zum Thema Straßenverkehrsrecht durch. Die Veranstaltung wurde in Kooperation mit der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China organisiert. Von deutscher Seite nahmen u. a. Expertinnen und Experten vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr, vom Bayerischen Polizeiverwaltungsamt und von der Hochschule Coburg teil.
In China hat sich in den letzten Jahrzehnten der Straßenverkehr enorm gewandelt. Von einem Land, dass von mangelnder Infrastruktur und geringem Verkehr geprägt war, ist China nun ein Land mit 5.28 Millionen Kilometern öffentlichen Straßen, wobei 98,8 Prozent der Städte und 95 Prozent der Bevölkerung direkten Zugang zu Autobahnen haben. Dieser Wandel geht aber auch mit Problemen und Herausforderungen einher, welche kontinuierliche Novellierungen des Straßenverkehrsrechts verlangt, bei deren Planung auch andere Länder als Vorbild dienen. Dies stellte Frau Wang Ning, Stellvertretende Abteilungsleiterin der Abteilung für Strafrecht der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses in ihrer Eröffnungsrede dar.
Herr Michael Dick von dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt stellte im ersten Vortrag der Veranstaltung die Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten in Deutschland vor. Dabei erläuterte er die Unterschiede in den Rechtsfolgen bei Ordnungswidrigkeiten und bei Straftaten sowie die möglichen verwaltungsrechtlichen Rechtsfolgen von Verkehrsverstößen und das Fahreignungsbewertungssystem (das sogenannte Punktesystem) vor. Er ging auf dieunterschiedlichen Rechtsfolgen anhand der Beispiele von Alkoholverstößen und Verstößen gegen Beladungsvorschriften ein. Die chinesischen Teilnehmer interessierten sich für Details von Ordnungswidrigkeiten, wie der Behinderung des Verkehrs durch zu langsames Fahren oder den unterschiedlichen Promillegrenzen bei Alkoholverstößen. Auch der Umbau von Fahrzeugen oder die rechtliche Behandlung von Fahrzeugen wie elektrischen Rollern oder elektrischen Fahrrädern interessierte die chinesische Seite.
Für den zweiten Vortrag am ersten Tag sorgte Herr Professor Dr. Uwe Gail, Fachanwalt für Verkehrs- und Versicherungsrecht sowie Professor an der Hochschule Coburg, der über das Thema Kfz-Pflichtversicherungen in Deutschland und Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen referierte. Gegenstand des Vortrages waren die verschiedenen Formen der Haftung, das Verhältnis zwischen Schädiger, Geschädigtem und Versicherer, der rechtliche Rahmen der Versicherungspflicht, die Haftungsabwägung bei Verkehrsunfällen und die Verkehrsopferhilfe, die eintritt, wenn ein Unfallverursacher nicht ermittelt werden kann oder nicht versichert ist. Von den Vertretern der Rechtsarbeitskommission gab es Fragen zum Versicherungsbeitrag, zur Ausnahme von der Haftung für Betriebsgefahr und zu Einzelheiten der Verkehrsopferhilfe.
Am zweiten Tag standen zum einen der rechtliche Rahmen für das automatisierte und autonome Fahren in Deutschland und zum anderen das Straßenverkehrszulassungsrecht im Mittelpunkt der Veranstaltung. Herr Arne Zielonka, stellvertretender Leiter des Referats für Digitalisierung in der Mobilität, Autonomes Fahren und Intelligente Verkehrssysteme im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, gab eine Übersicht über den technischen Stand beim automatisierten und autonomen Fahren und über die rechtliche Regulierung dieses Bereiches. Er verglich außerdem die deutschen Regelungen mit den Regelungen der Europäischen Union zu dieser Thematik.
Danach stellte Frau Irina Khlebtsevich, Referentin des Referats für Straßenverkehrsrecht im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, das Straßenverkehrsrecht in Deutschland vor. Zunächst erläuterte sie die in Deutschland geltenden Gesetzgebungsbefugnisse sowie die unterschiedlichen Rechtsgrundlagen, nämlich Gesetze und Verordnungen. Danach lag der Fokus ihres Vortrags auf der Zulassung von Fahrzeugen und der Digitalisierung dieses Prozesses. Die chinesische Seite interessierte sich für Einzelheiten der deutschen Fahrzeugzulassung und des deutschen Fahrerlaubnisrechts, für die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren sowie für Fragen zum Datenschutz und zur technischen Aufsicht. An der Beantwortung der Fragen wirkte Herr Dr. Frank Albrecht, Ministerialrat und Leiter des Referats für Straßenverkehrsrecht im Bundesministerium für Digitales und Verkehr, mit.
Zum Abschluss fanden Frau Wang Ning und Herr Dr. Marco Haase vom deutsch-chinesischen Programm Rechtskooperation die abschließende Worte zu dieser Veranstaltung. Frau Wang stellte fest, dass ein gemeinsamer Austausch zu Themen des Straßenverkehrs wichtig ist und dass neue Technologien auch neue Herausforderungen darstellen, die es rechtlich zu regeln gilt. Expertise aus dem Ausland ist deshalb immer ein guter Anhaltspunkt für die Entwicklung des chinesischen Rechts in diesem Bereich. Herr Dr. Haase ergänzte, dass der Straßenverkehr nicht an einer Grenze endet, sondern international ist und es deshalb auch einen internationalen Austausch zu diesem Thema geben sollte, wobei komplexe Themen wie Haftung, Sanktionierungen oder autonomes Fahren behandelt werden können.