Am 11. November 2022 richtete das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ, beauftragt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, den Workshop „Kodifikation im Verwaltungsrecht und Widerspruchsverfahren“ aus. Der Anstoß für die Veranstaltung kam von der Abteilung für Verwaltungsrecht der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, die für Gesetzesentwürfe im Bereich des Verwaltungsrechts zuständig ist.
China plant bereits seit einigen Jahren das eigene Verwaltungsrecht zu reformieren. Aktuell steht die Reform des Widerspruchsgesetzes, welches das Vorverfahren zwischen Bürger und Behörde regelt, auf dem Gesetzgebungsplan. Frau Yuan Jie, Leiterin der genannten Abteilung für Verwaltungsrecht, betonte dabei in ihren Begrüßungsworten die Rolle des deutschen Verwaltungsrechts als „gutes Beispiel“ für den chinesischen Gesetzgeber wie auch für die Forschung; denn das Verwaltungsrecht sei in Deutschland weit entwickelt und blicke auf eine lange Tradition zurück.
In seinem Vortrag zur Kodifikation des Verwaltungsrechts erläuterte Herr Prof. Kluth, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und Richter am Landesverfassungsgericht a.D., die Gesetzessystematik des deutschen Verwaltungsrechts. Dieses ist in mehreren Einzelgesetzen geregelt, deren allgemeinen Kern das Verwaltungsverfahrensgesetz bildet.
Frau Prof. Gassner, Professorin für Verwaltungsrecht an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, widmete sich in ihrem Vortrag dem deutschen Widerspruchsverfahren. Bei dem Widerspruch handelt es sich um einen Rechtsbehelf des Bürgers, mit dem dieser die Überprüfung eines Verwaltungsakts durch die erlassende Behörde erreichen kann. Frau Prof. Gassner erläuterte die Zwecke des Widerspruchsverfahrens, nämlich die Selbstkontrolle der Verwaltung, die Entlastung der Gerichte und die Gewährung eines einfachen und kostengünstigen Rechtsschutzes für den Bürger. Anschließend erörterte sie, dass das Widerspruchsverfahren in Deutschland grundsätzlich als obligatorisches Vorverfahren vor der Klageerhebung vorgesehen ist, allerdings mit einigen gesetzlich geregelten Ausnahmen. Insbesondere bei Massengeschäften mit hoher behördlicher Fehlerquote (Bsp.: Steuerrecht) erklärte sie das Festhalten am Widerspruchsverfahren für unbedingt ratsam.
Im Rahmen der abschließenden Diskussion stellten die teilnehmenden Vertreterinnen und Vertreter der Rechtsarbeitskommission wie auch chinesische Rechtsprofessorinnen und Rechtsprofessoren klarstellende Fragen zum Ablauf des Widerspruchsverfahren und den jeweils zuständigen Behörden. Weiterer Diskussionsschwerpunkt war die Bedeutung des Verwaltungsverfahrensgesetzes vor dem Hintergrund, dass dieses oft durch Spezialgesetze verdrängt wird. Allerdings verwies Herr Prof. Kluth darauf, dass sich die prozentuale Anzahl der Verfahren, die sich nach Spezialgesetzen richten, in Grenzen hält und dem Gesetz zudem eine große Vereinheitlichungs- und Steuerungswirkung zukommt.
Der deutsch-chinesische Austausch im Bereich des Verwaltungsrechts soll auch im Jahr 2023 weiter fortgesetzt werden. Hieran äußerten sowohl Frau Yuan Jie (s.o.) als auch Herr Dr. Haase, Leiter des Rechtskooperationsprogramms, in ihren Abschlussworten ausdrücklich ihr Interesse.