Die vom Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation ausgerichtete Veranstaltung „Deutsch-chinesischer Workshop Verfassungsinterpretation“ fand am Samstag, den 04.12.21, von 09.00 Uhr bis ca. 18.30 Uhr in den Räumlichkeiten des German Centre in Peking statt. Von chinesischer Seite nahmen 22 TeilnehmerInnen an der Veranstaltung teil, darunter fünf VertreterInnen der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses und 17 ProfessorInnen chinesischer Universitäten, die teilweise online zugeschaltet waren. Von deutscher Seite waren zwei ProfessorInnen als Experten zur Verfassungsinterpretation nach deutschem Verständnis online zugeschaltet.
Die Veranstaltung gliederte sich in zwei Blöcke: Einen chinesischen Block am Vormittag, im Rahmen dessen chinesische Experten über die Verfassungsinterpretation in China referierten, und einen deutsch-chinesischen Block am Nachmittag, im Rahmen dessen die beiden deutschen Experten die Verfassungsinterpretation in Deutschland vorstellten.
Schwerpunktthemen der insgesamt zwölf Kurzreferate am Vormittag waren das Verhältnis zwischen der Verfassungsmäßigkeitsprüfung und der Verfassungsinterpretation, die Methoden und Akteure der Verfassungsinterpretation in China sowie die Praxis der Verfassungsauslegung, bei der unter anderem auch die Bedeutung der Rechtsvergleichung auf diesem Gebiet diskutiert wurde. Am Nachmittag referierte Frau Prof. Lübbe-Wolff, Richterin am Bundesverfassungsgericht a.D., über die Methode der Verfassungsinterpretation durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Sie erläuterte die vom BVerfG angewandte Methode der rechtsdogmatischen Verfassungskonkretisierung, ging auf Grundsatzfragen der Auslegung von Gesetzen ein und zeigte anhand einiger Beispiele auf, auf welche Weise die Gesetzesauslegung in Deutschland funktioniert. Sie schloss ihren Vortrag mit Einblicken in die Arbeitsweise und Beratungskultur des BVerfG. Herr Prof. Volkmann hielt den zweiten Vortrag des Nachmittags. Nach einer kurzen rechtsvergleichenden Einleitung wandte sich Herr Prof. Volkmann dem Schwerpunktthema seines Vortrags, den Grundrechten im deutschen Grundgesetz, zu. Er erläuterte die Ausgestaltung der Grundrechte als dynamisches, einem stetigem Wandel unterliegendes Gesamtkonzept, welches – ausgehend von einer gemeinsamen und unveränderlichen Basis, nämlich der Menschenwürde – im Laufe der Zeit eine stetige Erweiterung erfahren hat, sowohl im Wege der Ausweitung der Grundrechtsfunktionen als auch im Wege der inhaltlichen Ausweitung des Grundrechtskatalogs. Abschließend veranschaulichte er das Vorgehen im Rahmen einer inhaltlichen Ausweitung des Grundrechtskatalogs und im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand eines aktuellen Urteils des BVerfG.
An die Vorträge der deutschen Experten schlossen sich jeweils Diskussionsanregungen und Fragen der chinesischen Seite an, die sich im Rahmen des Vortrags von Frau Prof. Lübbe-Wolff schwerpunktmäßig auf die Auslegungsmethoden und im Rahmen des Vortrags von Herrn Prof. Volkmann schwerpunktmäßig auf die Grundrechtsprüfung und Abwägung bezogen. Der Workshop endete mit abschließenden Dankesworten sowohl von chinesischer Seite als auch vonseiten des Rechtsprogramms.