Das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ, beauftragt durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, richtete in Zusammenarbeit mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft der VR China am 23. und 24. November eine Dialogveranstaltung zum Thema Geldstrafe aus.
In seinen Eröffnungsworten verwies Herr Guo Lixin, Leiter des theoretischen Forschungsinstituts der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, auf die hohe praktische Bedeutung der Geldstrafe im deutschen Strafrecht und das darauf beruhende besondere Interesse der chinesischen Seite an einem Austausch mit Deutschland zu diesem Thema. Gegenstand seines Vortrags waren die historische Entwicklung der Geldstrafe in China, einige gesetzliche Bestimmungen zur Geldstrafe sowie praktische Probleme und Verbesserungsvorschläge. Eine Geldstrafe kann in China – wie auch in Deutschland – entweder als einzige Strafe oder in Kombination mit einer Freiheitsstrafe verhängt werden. Allerdings ist der Anwendungsbereich der Geldstrafe in China, anders als in Deutschland, sehr eng, da Geldstrafen nur bei Wirtschafts- und Vermögensdelikten verhängt werden können. Während die Geldstrafe bei der Sanktionierung von Unternehmen eine große Rolle spiele, werden bei Privatpersonen eher Freiheitsstrafen verhängt. Zudem sei die Vollstreckung problematisch, insbesondere kenne das chinesische Recht, anders als das deutsche, keine Ersatzfreiheitsstrafe.
Herr Prof. Weigend (Universität zu Köln), Frau Lindner, Staatsanwältin (Staatsanwaltschaft Kleve), und Herr Dr. Jens PEGLAU, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (Oberlandesgericht Hamm) stellten in ihren Vorträgen die theoretischen Grundlagen und die Verhängung der Geldstrafe aus Sicht der Staatsanwaltschaft und des Gerichts vor. Einen Schwerpunkt der Vorträge bildete dabei das zweistufige Verfahren bei der Bildung der Geldstrafe: Im ersten Schritt wird die Anzahl der Tagessätze bestimmt, im zweiten Schritt die Höhe der Tagessätze. Die Anzahl der Tagessätze ergibt sich daraus, wie viele Tage Freiheitsstrafe dem Täter aufzuerlegen wären. Während sich die Anzahl der Tagesätze also allein nach der Schuld des Täters richtet, richtet sich die Tagessatzhöhe allein nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters. So gilt im Grundsatz, dass die Höhe eines Tagessatzes einem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens des Täters entspricht. Aus der Multiplikation von Tagessatzanzahl und -höhe ergibt sich der vom Täter als Strafe zu zahlende Geldbetrag. Herr Prof. Weigend bestätigte die eingangs geäußerte große praktische Bedeutung der Geldstrafe in Deutschland: 86 % der verhängten strafrechtlichen Sanktionen sind Geldstrafen.
Herr Luo Qingdong, Staatsanwalt des ersten Hierarchiegrades und stellvertretender Abteilungsleiter der ersten Abteilung der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, und Herr Wu Qiaobin, Staatsanwalt des dritten Hierarchiegrades und Leiter des Referats für Forschung der Rechtsanwendung der Abteilung für Forschung der Rechtspolitik der Obersten Volksstaatsanwaltschaft, behandelten in ihren Vortrag aktuelle Themen der Geldstrafe in China. So stellte Herr Luo Qingdong die Befugnis der Staatsanwaltschaft zu Empfehlungen zur Strafzumessung bei Geldstrafen vor. Dabei handelt es sich um ein System der Strafmilderung im Falle eines geständigen, seine Strafe annehmenden Täters. Dieses System habe für Freiheitsstrafen eine lange Tradition, für Geldstrafen hingegen sei das System noch weiter ausbaubedürftig. Herr Wu Qiaobin beleuchtete in seinem Vortrag das Verhältnis zwischen sog. Verwaltungssanktionen (von Verwaltungsbehörden verhängte Sanktionen wie z.B. Geldbuße und Genehmigungsentzug) einerseits und Geldstrafen andererseits.
In den sich an die jeweiligen Vorträge anschließenden Diskussionsrunden bildeten die Wirkungen, Hintergründe und praktischen Probleme im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen den Kern vieler Rückfragen und Beiträge. So diskutierten die Teilnehmer über die spezialpräventive Wirkung der Geld- im Vergleich zur Freiheitsstrafe, über die Frage einer je nach wirtschaftlichen Verhältnissen des Täters variierenden Höhe der Geldstrafe und über die Vollstreckungsmöglichkeiten bei mittellosen Tätern. Insbesondere zum Ende der Veranstaltung, nachdem beide Seiten durch die Vorträge zum jeweils anderen Rechtssystem informiert waren, bildete das Auffinden von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der beiden Systeme einen weiteren Interessenschwerpunkt der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ wird den Austausch mit der Obersten Volksstaatsanwaltschaft auch im kommenden Jahr fortführen. So hat Herr Feige, Rechtsberater des Deutsch-Chinesischen Programms Rechtskooperation der GIZ, infolge des Interesses der chinesischen Seite an den deutschen Geldwäschevorschriften in seinen Abschlussworten vorgeschlagen, den nächsten Austausch zu eben diesem, aktuell sehr dynamischen Thema zu führen.