Vom 30. Mai bis 8. Juni 2024 besuchte eine sechsköpfige Delegation der Haushaltsarbeitskommission (BAC) des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses Italien, Deutschland und das Vereinigte Königreich. Thema der Fachinformationsreise war die Modernisierung der Finanzverwaltung.
Das Steuererhebungs- und -Verwaltungsgesetz der Volksrepublik China bildet die Grundlage für die Finanzverwaltung und das Steuerverwaltungsverfahren in China. Die Überarbeitung dieses Gesetzes zählt gegenwärtig zu den besonders wichtigen Aufgaben des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses. Zurzeit arbeitet die staatliche chinesische Steuerverwaltung (SAT) und das chinesische Finanzministerium an einem Entwurf zur Änderung des Gesetzes. Die Haushaltsarbeitskommission unterstützt diese Arbeit durch wissenschaftliche Studien und Analysen für die geplante Gesetzesreform. Dabei geht es vor allem um die Modernisierung der Steuerverwaltung und die Verbesserung und Vereinheitlichung des Steuererhebungsverfahrens. Die Erreichung dieser Ziele liegt auch im deutschen Interesse, damit deutsche Unternehmen, die in China wirtschaftlich aktiv sind, dort transparente, vorhersehbare und innerhalb des ganzen Landes gleiche steuerliche Rahmenbedingungen vorfinden.
Vor diesem Hintergrund besuchte eine Delegation der Haushaltsarbeitskommission in der Zeit vom 30. Mai 2024 bis zum 8. Juni 2024 Italien, Deutschland und das Vereinigte Königreich. Der Delegation gehörten sechs Fach- und Führungskräfte der Haushaltsarbeitskommission an, darunter der Leiter der Rechtsabteilung, Herr WANG Wenyue, als Leiter der Delegation. Ziel des Besuches war es, die Grundsätze, Konzepte und Erfahrungen der drei Länder im Bereich des Steuersystems, der Steuerverwaltung und des Steuererhebungsverfahrens kennenzulernen und diese internationalen Erfahrungen für die Überarbeitung und Verbesserung des chinesischen Steuererhebungs- und -Verwaltungsgesetzes zu nutzen.
Um der chinesischen Delegation ein differenziertes Bild zu vermitteln, organisierte das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH Arbeitstreffen mit Expertinnen und Experten aus der Legislative, aus verschiedenen Verwaltungsebenen der Exekutive und aus Wissenschaft und Forschung.
So wurde die Delegation auf ihrer ersten Station in Mailand an der dortigen Universität von Prof. Guiseppe Marino empfangen, der das italienische Steuersystem und die umfangreichen, zum Teil noch nicht abgeschlossenen Vorhaben zur Reformierung dieses Systems vorstellte. Einen wichtiges Ziel n Bestandteil der Reformen ist die Änderung der Steuermentalität der Bevölkerung und die Verbesserung der Steuerdisziplin. Gerade diese Ausrichtung hat sich als sehr erfolgreich erwiesen.
Die nächste Station der Delegationsreise war in Rom. Dort besuchte die Delegation zunächst das Oberkommando der italienischen Finanzpolizei (Guardia di Finanza), einer spezialisierten, militärisch organisierten Polizeieinheit, die dem italienischen Wirtschafts- und Finanzministerium untersteht. General Vito Giordano und weitere Offiziere des Oberkommandos verschafften der Delegation einen beeindruckenden Einblick in die Tätigkeit dieser weltweit einzigartigen Einheit, die auf eine 250-jährige Tradition zurückblicken kann und nicht nur für die Verfolgung von Steuerstraftaten, sondern für die Bekämpfung aller Arten von Wirtschaftskriminalität sowie für die maritime Grenzsicherung zuständig ist.
Im Anschluss daran wurde die Delegation in der italienischen Abgeordnetenkammer, der größeren der beiden Parlamentskammern, durch leitende Mitarbeiter des Haushalts-, Finanz- und Planungsausschusses empfangen. Eine ebenso umfangreiche wie ambitionierte Aufgabe des Ausschusses ist die Arbeit an einem Gesetzentwurf, durch den das italienische Steuerrecht in einem einheitlichen Steuergesetzbuch kodifiziert und zusammengefasst werden soll.
In Hamburg stellte Norbert Feige, Rechtsberater im Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation, das Steuerrecht und das Steuerverfahren in Deutschland vor. Dabei ging es nicht nur um die Rechtsgrundlagen des Steuerrechts und die Bedeutung der wichtigsten Steuerarten, sondern auch um den Aufbau der deutschen Steuerverwaltung und um wichtige Einzelfragen der Steuerveranlagung. Abgerundet wurde der Tag durch einen Besuch im Deutschen Zollmuseum, das den Besuchern die Geschichte und Gegenwart der deutschen Zollverwaltung vermittelt.
Das Zollmuseum war zugleich eine Einstimmung auf den nächsten Programmpunkt, den Besuch des Hauptzollamts Hamburg. In einem Vortrag mit anschließender Diskussion erläuterte Frau Kristina Severon den Aufbau, die Aufgaben und Befugnisse der deutschen Zollbehörden. Zu den wichtigsten Aufgaben der Hamburger Zollbehörden gehört die Kontrolle der Ein- und Ausfuhr von Waren über den Hamburger Hafen, größter deutscher Seehafen und drittgrößter Hafen in Europa. Dort steht unter anderem eine Containerprüfanlage zur Verfügung, mit der Lastkraftwagen und Frachtcontainer mit Hilfe von Röntgentechnik ohne Öffnen des Laderaums überprüft werden können. Der bisher größte Fund von illegalen Waren war die Beschlagnahme von 35 Tonnen Kokain im Jahr 2023.
Im Finanzamts Hamburg-Hansa wurde die Delegation von Herrn Ernst Stoll von der Finanzbehörde Hamburg, Frau Daniela Henning, der Leiterin des Finanzamts Hamburg-Hansa, sowie dem Sachgebietsleiter Maik Böttcher empfangen. Herr Böttcher stellte den Aufbau und die Tätigkeit der Behörde dar, deren Zuständigkeit sich auf einen großen Teil der Hamburger Innenstadt einschließlich des Vergnügungsviertels St. Pauli erstreckt.
Auf der zweiten und letzten Station in Deutschland ging es zunächst in der Außenstelle Berlin des Bundeszentralamts für Steuern um die Erfüllung zentraler Aufgaben innerhalb der deutschen Steuerverwaltung. Empfangen wurde die Delegation von dem zuständigen Referatsleiter, Herrn Junghans. Das wohl wichtigste Instrument für den effektiven Austausch und die Verarbeitung von steuerrelevanten Daten ist die Steueridentifikationsnummer, die durch das Bundeszentralamt für Steuern für jeden Einwohner individuell vergeben wird und den Steuerpflichtigen auf Lebenszeit begleitet. Für Unternehmen ist Ende 2024 die Einführung einer Wirtschaftsidentifikationsnummer geplant.
Letzter Termin in Deutschland war der Besuch der Bundesfinanzakademie im Bundesministerium der Finanzen. Im Zentrum des Austausches mit dem Präsidenten der Akademie, Herrn Dr. Robert Heller, stand die Aus- und Fortbildung von leitenden Beamten der deutschen Steuerverwaltung.
Im Anschluss reiste die BAC-Delegation in das Vereinigte Königreich weiter. In Edinburgh stand im schottischen Parlament ein Treffen mit dem Ausschuss für Finanzen und öffentliche Verwaltung auf dem Programm. Die Schottland zustehenden Autonomierechte wirken sich auch im Bereich des Steuerrechts aus. So unterscheidet sich unter anderem der Einkommensteuertarif in Schottland von dem in den übrigen Landesteilen des Vereinigten Königreichs geltenden Tarif.
An der Universität Oxford stellte Professor John Vella das britische Steuerrecht sowie die wichtigsten Ergebnisse seiner rechtwissenschaftlichen Forschung zu steuerrechtlichen Fragen, insbesondere zur Vermeidung der Verlagerung von Gewinnen ins Ausland und zur Verhinderung von Steuerumgehungen, vor.
Der folgende Tag begann für die Delegation mit einem Besuch im britischen Wirtschafts- und Finanzministerium in London. Dort ging es um aktuelle Reformvorhaben im Bereich des britischen Steuerrechts. Im Mittelpunkt standen dabei Bestrebungen, die Erhebung der Einkommensteuer zu digitalisieren. Dabei soll insbesondere die Besteuerung von Unternehmen und Selbständigen nicht mehr allein auf der Grundlage jährlicher Steuererklärungen, sondern mit einer quartalsweisen Anpassung der Steuer an die wirtschaftliche Entwicklung der Steuerpflichtigen erfolgen.
Den Abschluss des Programms bildete ein Besuch im Londoner Büro des Great Britain China Centre, das seit fast 50 Jahren im Interesse der Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der Volksrepublik China aktiv ist.
Wir bedanken uns bei allen beteiligten Personen und Organisationen sehr herzlich für die Gastfreundschaft und für die von großer Sachlichkeit und Fachkompetenz geprägten Diskussionen.