Am 24. September 2021 veranstaltete das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Peking in Kooperation mit dem Obersten Volksgericht der Volksrepublik China einen Online-Dialog zum Thema „Persönlichkeitsrechte und Datenschutz“.
Der Online-Dialog fand vor dem Hintergrund des seit dem 01. Januar 2021 in Kraft getretenen
chinesischen Zivilgesetzbuches statt. Dort sind im Teil IV die Persönlichkeitsrechte geregelt. Zu diesen Rechten gehört insbesondere das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und Gesundheit, das Namensrecht, das Recht am eigenen Bild, das Recht auf Ansehen und Ehre und das Recht auf Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten. Am 01. September 2021 trat in China außerdem das Datensicherheitsgesetz in Kraft. Wichtigste Rechtsgrundlage für den Datenschutz in Deutschland ist die seit dem 25. Mai 2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung, eine von der Europäischen Union (EU) erlassene Vorschrift, die unmittelbar in den Mitgliedsstaaten der EU gilt.
Im Zeitalter von Big Data und IT-Hochtechnologie hat der Schutz der Persönlichkeitsrechte und der persönlichen Daten erheblich an Bedeutung gewonnen. Dabei übt die Rechtsprechung eine wichtige Funktion bei der Anwendung und Auslegung der neuen Vorschriften in der Praxis aus. Am 28. Juli 2021 erließ das Oberste Volksgericht hierzu die „Bestimmungen zu verschiedenen Fragen der Rechtsanwendung bei der Verhandlung von Zivilsachen im Zusammenhang mit der Verwendung der Gesichtserkennungstechnologie bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“.
Gleichwohl sind die Gerichte sowohl in China als auch in Deutschland nach wie vor mit einigen Schwierigkeiten und Problemen konfrontiert. Im Einzelfall ist die Abwägung der verschiedenen Interessen, dem Schutz der individuellen Privatsphäre auf der einen Seite und dem Interesse der Wirtschaft an der Nutzung von Informationen auf der anderen Seite, nicht einfach. Für die chinesischen Gerichte erarbeitet das Oberste Volksgericht zur Zeit gerichtliche Auslegungen zum Schutz personenbezogener Daten, zur Unterlassung von Verletzungen der Persönlichkeitsrechte und anderer Persönlichkeitsrechte.
Der Online-Dialog bot daher die Gelegenheit, die Erfahrungen bei der Anwendung der vergleichsweise neuen Vorschriften in der Praxis auszutauschen. Dabei ging es vor allem um zwei thematische Schwerpunkte, nämlich die Auswirkungen der Gesetzgebung zum Persönlichkeitsrecht auf die Justiz sowie um Fragen im Zusammenhang mit dem personenbezogenen Datenschutz. Diese Bereiche sind für die Stärkung des gerichtlichen Schutzes der Persönlichkeitsrechte und letztlich für den Schutz der Menschenrechte von hoher Bedeutung; denn sowohl das allgemeine Persönlichkeitsrecht als auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden aus den Menschenrechten, in Deutschland aus den durch das Grundgesetz geschützten Grundrechten, abgeleitet.
Herrn ZHENG Xuelin, Kammerleiter des Zivilkammer I. des Obersten Volksgerichts, eröffnete die Veranstaltung. Für die deutsche Seite übernahm Frau Astrid Baumann, Präsidentin des Thüringer Oberlandesgerichts, die einleitenden Worte.
Frau PAN Jie, Richterin der Zivilkammer I. des Obersten Volksgerichts, referierte sodann zu den Auswirkungen des Persönlichkeitsrechts auf die Rechtspflege in China. Im Anschluss daran stellte Frau GAO Yanzhu, ebenfalls Richterin der Zivilkammer I. des Obersten Volksgerichts, die neuen chinesischen Regelungen zum Schutz persönlicher Daten, nämlich das am 20. August 2021 verkündete und am 1. November 2021 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz persönlicher Informationen vor.
Prof. Dr. Karl-Nikolaus Peifer, Lehrstuhlinhaber für Bürgerliches Recht mit Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, Neue Medien und Wirtschaftsrecht an der Universität zu Köln, ging in seinem Beitrag auf den Schutz der persönlichen Rechte im deutschen Recht ein. Die absoluten Rechte, z.B. das Recht auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Freiheit, das Eigentumsrecht und das Namensrecht, sind im deutschen Zivilrecht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Eine Ausnahme hiervon ist aber das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses wird aus dem im Grundgesetz verankerten Schutz der Menschenwürde abgeleitet. Das Bestehen und der Inhalt dieses Rechtes sind aber seit vielen Jahren allgemein anerkannt.
Prof. Dr. Anne Lauber-Rönsberg, Lehrstuhlinhaberin für Internationales Recht, Geistiges Eigentum und Technikrecht an der Technischen Universität Dresden, analysierte in ihrem Beitrag das zivilrechtliche Persönlichkeitsrecht und das Datenschutzrecht aus der Perspektive des deutschen Rechts. Sie ging dabei insbesondere auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die §§ 823, 847 und 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches, das Recht am eigenen Bild, den Schutz persönlicher Daten durch die Datenschutz-Grundverordnung durch EU-DSGVO, Rechte der Geschädigten bei Datenschutzverstößen sowie auf Datenschutzregelungen beim Einsatz neuer Technologien wie z.B. die Nutzung biometrischer Daten zur Authentifizierung, ein.
Die Beiträge der chinesischen und deutschen Teilnehmer leiteten in die anschließende lebhafte Diskussion über. Hierbei wurde die Frage erörtert, inwieweit die persönlichen Rechte des ungeborenen Lebens geschützt sind. Schließlich ging es um die Frage, ob in Deutschland ein Gesetz zum Schutz des Persönlichkeitsrechts gegenüber Presse, Rundfunk und anderen Medien sinnvoll und notwendig ist. Ein solches Gesetz ist nicht unproblematisch, weil sich hier das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht des Einzelnen und die ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Presse- Informations- und Meinungsfreiheit gegenüberstehen. Eine Mehrheit für ein solches Gesetz ist gegenwärtig nicht vorhanden.
Am Ende der Veranstaltung wies Frau LIU Min, stellvertretende Kammerleiterin der Zivilkammer I des Obersten Volksgerichts, in ihrem Schlusswort darauf hin, dass einige neue Regelungen in der Kodifizierung der persönlichen Rechte im chinesischen Zivilgesetzbuch, wie z.B. Artikel 996 über den immateriellen Schadenersatz bei Vertragsverletzungen, Artikel 997 über den Anspruch auf Unterlassung von Rechtsverletzungen und Artikel 998 über die Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls in die rechtliche Beurteilung eines Verhaltens, alle mehr oder weniger auf den Erfahrungen der Gesetzgebung und der gerichtlichen Praxis in anderen Ländern, unter anderem auch und gerade in Deutschland, basieren.
Sowohl in China als auch in Deutschland besteht ein großes Interesse an der Fortsetzung des Rechtsdialoges zu ausgewählten Themen. Das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation wird diesen Dialog weiter unterstützen und fördern.