Am 3. September 2017 begann in Berlin für eine 15-köpfige Delegation des Rechtsamtes beim Staatsrat der VR China unter Leitung des stellvertretenden Abteilungsleiters Herr Tian Xin, ein vom Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation organisierter, zweiwöchiger Trainingskurs zum deutschen Verwaltungsrecht. Der Trainingskurs erfolgte auf Einladung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Der Schwerpunkt des Programms lag auf dem Verwaltungsverfahren und der interbehördlichen Kooperation sowie auf der gerichtlichen, parlamentarischen und verwaltungsinternen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen.
Die stellvertretende Leiterin des Referats für internationale rechtliche Zusammenarbeit, Frau Dr. Lindner, begrüßte die Abordnung am Vormittag des 4. September im BMJV. Sodann gaben Herr Dr. Schaefer und Herr Mavridis aus den jeweiligen Fachreferaten einen Einblick in die Grundlagen des deutschen Verwaltungs- und Verwaltungsprozessrechts. Für die chinesischen Teilnehmer waren hier insbesondere Fragen der Beweiserhebung durch die Verwaltungsbehörden und die Anhörung der Betroffenen von Interesse. Die bei diesem Termin erlangten Kenntnisse konnten durch eine Veranstaltung zu Entscheidungsspielräumen der Verwaltung und deren rechtliche Grenzen mit Herrn Professor Dr. Eifert, Lehrstuhlinhaber und Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie dessen Mitarbeiter, Herrn Gerberding, vertieft werden.
Beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) konnte sich die Delegation durch ein Gespräch mit dem Vizepräsidenten des Instituts, Herrn Dr. Kathage, sowie zwei Referatsleiterinnen, Frau Abend und Frau Bernholz, über den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Fachbehörden auf nationaler und europäischer Ebene am Bespiel der Marküberwachung informieren. Die Einrichtung eines europaweiten Systems zum schnellen, länderübergreifenden Austausch von Informationen über gefährliche Produkte (RAPEX – Rapid Alert System for Dangerous Non-Food Products) stieß dabei auf ebenso großes Interesse wie die Prüf- und Sanktionsverfahren des Instituts bei gefährlichen Produkten.
Ein weiterer Termin führte zum Bundesministerium des Inneren. Hier stellten Herr Bünzow (Leiter der Projektgruppe Digitale Verwaltung) und Herr Haselbeck der Delegation die aktuellen Vorhaben im Bereich Open Governance und Digitale Verwaltung vor. Da die Digitalisierung auch für China besonders relevant ist und in den vergangenen Jahren dort umfangreiche Modernisierungsvorhaben in sehr kurzer Zeit verwirklicht wurden, waren die Delegationsmitglieder sehr an der Frage interessiert, warum in einem weitaus kleineren Land wie Deutschland die Einführung einer digitalen Verwaltung deutlich aufwändiger ist und erheblich länger dauert als in China.
Nach einer Führung durch das historische Gebäude des Kriminalgerichts referierten bei der Staatsanwaltschaft Berlin Staatsanwälte verschiedener Abteilungen über den Informationsaustausch zwischen Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden. Die Gäste nutzten die offene Gesprächsatmosphäre, um beispielsweise zu diskutieren, in welchen Fällen Sozial- und Steuerdaten angefordert werden dürfen. Themen waren darüber hinaus das Verfahren der Mitteilung in Strafsachen (MiStra) und – aus aktuellem Anlass – der Austausch von Daten über Asylbewerber zur Verhinderung von Straftaten und zur Terrorismusbekämpfung.
Im Laufe der Woche folgten weitere Fachveranstaltungen zum Recht und der Praxis der Verwaltungsvollstreckung mit Herrn Professor Dr. Ramsauer sowie Herrn Meinert aus der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Landes Berlin, zur Verwaltungsprivatisierung mit Herrn Professor Dr. Tomerius, Lehrstuhlinhaber an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, sowie eine Veranstaltung zum behördlichen Datenschutzrecht mit dem ehemaligen Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Herrn Peter Schaar.
In Leipzig begann der zweite Teil des Programms, dessen Schwerpunkt auf dem Verwaltungsprozessrecht und der Kontrolle der Verwaltung lag. Im Anschluss an eine Führung durch das Gebäude des ehemaligen Reichsgerichts erläuterten zwei Richter am Bundesverwaltungsgericht, Herr Professor Dr. Kraft und Frau Dr. Rublack, den Gang des Rechtsmittelverfahrens und die Überprüfung von Gesetzen durch die Gerichte. Die Tatsache, dass es möglich ist, in einem Gerichtsverfahren untergesetzliche Rechtsnormen nicht nur zu überprüfen, sondern auch aufzuheben, war für die Teilnehmer überraschend, sodass hierzu eine Vielzahl an Fragen erörtert wurde.
In den kommenden Tagen nahm die Abordnung Termine bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, dem Abgeordnetenhaus des Landes Berlin sowie der Kanzlei RAUE LL.P wahr. Bei letzterem stellte Rechtsanwalt Professor Dr. Wolfgang Kuhla die Verfahren zum einstweiligen Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren und die hierbei auftretenden Probleme aus anwaltlicher Sicht vor. Besonders interessant war für die Delegation zudem ein Gespräch mit Dr. Gero Meinen, Abteilungsleiter der Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin. Bei der Darstellung der Abfassung und Unterzeichnung von Verwaltungsentscheidungen wurde der Unterschied zum chinesischen System besonders deutlich. Die Teilnehmer waren überrascht, dass nicht der Abteilungs- oder Behördenleiter als Aussteller einer Verfügung auftritt und diese unterzeichnet, sondern der tatsächlich das Verfahren bearbeitende Behördenmitarbeiter.
Beim Verwaltungsgericht Potsdam konnten die Delegationsmitglieder mit Herrn Dr. Bodanowitz (Präsident des Verwaltungsgerichts), Frau Dr. Pflügner sowie Herrn Dr. Kaufhold die Themen Mediation und gütliche Streitbeilegung im Verwaltungsverfahren sowie spezifische Fragen zum Eilrechtsschutz und der Durchsetzung von Auskunftsansprüchen gegen die Verwaltung besprechen.
Ein Fachgespräch mit Frau Professor Dr. Kaiser, Lehrstuhlinhaberin an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität, zum Widerspruchsverfahren und der Selbstkontrolle der Verwaltung rundete das Programm ab. In der lebhaften Diskussion sahen insbesondere die Delegationsmitglieder, die der Widerspruchsabteilung des Rechtsamtes angehörten, die weitreichende Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Deutschland durchaus kritisch. Ein Termin zum Schutz subjektiver Rechte durch die Verwaltung mit Professor Dr. Dombert sowie ein Besuch beim Abgeordnetenhaus des Landes Berlin mit einer Diskussion mit Mitgliedern des Innenausschusses rundeten das Programm inhaltlich ab. Am 15. September erörterten schließlich Frau Dr. Lindner vom BMJV und die Delegation in einem Abschlussgespräch im Bundesjustizministerium die gesammelten Eindrücke und Erkenntnisse des Trainingskurses.