Als Vertiefungsveranstaltung zu den seit vielen Jahren etablierten Rechtsanwendungskursen fand vom 28. bis 30. November 2016 ein Workshop mit 32 Richterinnen und Richter aus Jilin in der Provinzhauptstadt Changchun statt. Der Workshop wurde vom Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation in Zusammenarbeit mit der Nationalen Richterakademie sowie mit dem Oberen Volksgericht der Provinz Jilin und dessen Richterakademie durchgeführt. Er wurde geleitet von Herrn ROLG Arnd Weishaupt, Düsseldorf, und Herrn RiAG Dr. Johannes Schlichte (Stellvertretender Programmleiter des Deutsch-Chinesischen Programms Rechtskooperation).
Im Mittelpunkt des Workshops standen sechs Fälle aus der chinesischen Praxis, die zuvor von den Richterkolleginnen und -kollegen aus Jilin ausgesucht worden waren. Darunter waren Fälle aus der Rechtsprechungspraxis von Gerichten der Provinz Jilin, aber auch Fälle, die derzeit landesweit in juristischen Foren kontrovers diskutiert werden. Diese umfassten eine breite Spanne von Lebenssachverhalten und Rechtsgebieten. So kamen erb- und bereicherungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf; es wurde über die Haftung von Unternehmern und Subunternehmern für Personen- und Sachschäden bei einem Bauunfall diskutiert; das rechtliche Schicksal in vitro gezeugter Embryonen nach dem Tod der biologischen Eltern war zu klären; und die deliktsrechtliche Verantwortung für von einer streunenden Katze verursachte Verletzungen wurde erörtert.
Im Diskurs zwischen den Workshopleitern und den Teilnehmern wurden diese Fälle mithilfe der Subsumtionstechnik gelöst. Die stringente Methodik, mit der auch komplexe Sachverhalte systematisch aufgearbeitet und einer transparenten rechtlichen Lösung zugeführt werden können, bewährte sich aus Sicht der Teilnehmerschaft gerade bei den schwierigen Fällen aus der Rechtspraxis. Am Ende des Kurses stand die Erkenntnis, dass die Subsumtionstechnik zwar nicht zwingend zu demselben Ergebnis führen muss, weil unbestimmte Rechtsbegriffe sich zuweilen gut vertretbar unterschiedlich auslegen lassen; dass aber die Anwendung der Methodik zu mehr Transparenz führt, weil dabei der Lösungsweg offengelegt wird und jeder Rechtsanwender (etwa eine Partei oder ein Gericht höherer Instanz) klar erkennen kann, an welcher Stelle der Entscheider (etwa das erstinstanzliche Gericht) zu einem anderen Ergebnis gekommen ist als er selbst – und mit welchen rechtlichen Argumenten.