Das Deutsch-Chinesische Programm Rechtskooperation der GIZ organisierte am 28. November 2022 im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen Online-Workshop mit der Abteilung für Verfassungsrecht der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses („NVK“).
Nach den Eröffnungsworten von Herrn Dr. Haase, Programmleiter des Rechtskooperationsprogrammes, und Herrn Lei Jianbin, Abteilungsleiter, Abteilung für Verfassungsrecht der Rechtsarbeitskommission des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses, gab Frau Gao Lina, Referatsleiterin in eben dieser Abteilung, eine Einführung in das System der Verfassungsmäßigkeitsprüfung im chinesischen Gesetzgebungsprozess. Dabei ging sie insbesondere auch auf die Arbeit der Abteilung für Verfassungsrecht ein, die jeweils eng mit den für den Gesetzesentwurf zuständigen Stellen zusammenarbeitet und Zusammenfassungen verfassungsrechtlich relevanter Themen für den Ständigen Ausschuss des NVK vorbereitet.
Herr Dr. Bernd Küster (Bundesministerium des Innern und für Heimat) und Herr Dr. Horst Heitland (Bundesministerium der Justiz) stellten in ihren anschließenden Vorträgen die Verfassungsmäßigkeitsprüfung im deutschen Gesetzgebungsverfahren vor. Herr Dr. Küster stellte sogleich zu Beginn seines Vortrags eine Gemeinsamkeit beider Rechtsordnungen fest, nämlich dass in beiden Ländern kein Gesetz im Widerspruch zur Verfassung stehen darf. Ein Unterschied bestehe jedoch darin, dass die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit in China beim Parlament selbst angesiedelt ist, wohingegen sie in Deutschland der Bundesregierung, insbesondere den beiden sog. Verfassungsministerien, obliegt; gemeint sind das Bundesministerium des Innern und für Heimat und das Bundesministerium der Justiz. Ergebnis der Verfassungsmäßigkeitsprüfung, so erläuterte Herr Dr. Heitland, ist eine Risikobewertung; bewertet wird das Risiko, ob und inwieweit eine Verfassungsbeschwerde gegen das geplante Gesetz erfolgreich sein könnte. Er führte weiter aus, dass weniger als 1 % aller Gesetze vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden.
Die Vorträge der beiden deutschen Experten wurden von zwei Rechtsprofessoren, Herrn Prof. Li Zhongxia (Renmin Universität) und Herrn Prof. Zhang Xiang (Peking Universität), kommentiert und mit Rückfragen in den chinesischen Kontext eingebettet. Hierbei zeigte sich ein besonderes Interesse der chinesischen Seite an dem Vorgehen bei Meinungsverschiedenheiten, wenn sich also Ministerien über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht einig sind, und an den Prüfungsstandards für die Verfassungsmäßigkeitsprüfung. Da sich die Verfassungsmäßigkeitsprüfung auch im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses nach den Standards des Bundesverfassungsgerichts richtet, diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zudem die Bedeutung eines solchen – in China nicht existenten – Gerichts für die Arbeit der Gesetzgebung und für die Gewährleistung einer verfassungsmäßigen Rechtsordnung.
Abschließend dankte Frau Wu, stellvertretende Leiterin der Rechtsarbeitskommission, die an bisherige Veranstaltungen und Fachinformationsreisen erinnerte, dem Rechtskooperationsprogramm dafür, dass die enge Zusammenarbeit mit der Rechtsarbeitskommission auch nach vielen Jahren unverändert fortbesteht. Herr Dr. Haase betonte die Bedeutung und die Komplexität der Verfassungsmäßigkeitsprüfung im Gesetzgebungsverfahren und dankte dafür, den Aufbau dieses Rechtsgebiets in China unterstützend begleiten zu dürfen.