Am 22. Mai 2023 fand in Peking die Online-Dialogveranstaltung zum Thema „Umweltschutz im Deliktsrecht und Umweltschadensrecht“ statt. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom Deutsch-Chinesischen Programm Rechtskooperation der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der Kammer für Umwelt und Ressourcen des Obersten Volksgerichts organisiert. An dem Seminar nahmen Richter und Professoren aus China und Deutschland aus dem Bereich des Umweltschutzes teil.
Die Diskussion der Besprechung konzentrierte sich auf die Frage der Vorbeugung und Sanierung von Umweltschäden. Die Referenten beleuchteten das Thema sowohl aus öffentlich-rechtlicher als auch aus privatrechtlicher Sicht. In den Beiträgen wurde deutlich, dass Umweltschäden nach ihrem Eintreten häufig nur mit sehr hohem Aufwand oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden können und daher die Vorbeugung im Umweltrecht eine wichtige Rolle spielt. Nachdem ein Schaden eingetreten ist, geht es darum, geeignete Mittel zur Beseitigung der Umweltschäden zu ergreifen.
In ihrer Begrüßungsrede betonte Frau Liu Zhumei, Präsidentin der Kammer für Umwelt und Ressourcen des Obersten Volksgerichts, dass der aktuelle Umweltschutz und Klimawandel eine der wichtigsten Herausforderungen für die gesamte Menschheit sei und von allen Ländern gemeinsam angegangen werden müsse. Ziel der Veranstaltung sei es, den Erfahrungsaustausch zwischen chinesischen und deutschen Richtern und Experten auf dem Gebiet des Umweltschutzes zu fördern, um das juristische Niveau beider Länder beim Schutz der Umweltressourcen zu verbessern. Dr. Marco Haase, Leiter des deutsch-chinesischen Rechtsprogramms, begrüßte die Teilnehmer und betonte die Rolle des Rechts als wichtiges Steuerinstrument des Umweltschutzes. Er führte aus, dass eine grüne und nachhaltige Entwicklung das beherrschende Thema der gegenwärtigen Entwicklung in allen Ländern sei und dass das Recht ein wichtiges Instrument sei, um dies zu erreichen. Bei dem Seminar gehe es nicht nur um einen Rechtsvergleich zwischen China und Deutschland, sondern auch um einen Vergleich von privatem und öffentlichem Recht, da der Umweltschutz nicht nur private, sondern auch öffentliche Interessen berühre. Die beiden Länder können sich im Bereich des Umweltschutzes austauschen und voneinander lernen.
Zunächst ging es um die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden. Die Referenten waren Frau Yang Di, Richterin der Kammer für Umwelt und Ressourcen des Obersten Volksgerichts Chinas, und Herr Raphael Murmann-Suchan, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Köln. Frau Yang Di sprach über den gerichtlichen Schutz und die Behebung von Umweltschäden in China. Sie erläuterte die Erfahrungen der chinesischen Gerichte bei der Beurteilung von Umweltschäden in zivil-, straf- und verwaltungsrechtlicher Hinsicht. Herr Murmann-Suchan konzentrierte sich in seinem Vortrag auf die Rechtsbehelfe für Umweltschäden nach dem deutschen Verwaltungsrecht, insbesondere nach dem sogenannten Umweltschadensgesetz. Das deutsche Verwaltungsrecht kontrolliert das Risiko eines Umweltschadens in erster Linie durch das Genehmigungsverfahren. Im Falle eines Schadens bestehen Auskunftspflichten gegen den Betreiber der schadensverursachenden Anlage. Die Behörde kann sodann Sanierungsanordnungen treffen. Im Verwaltungsverfahren gelten der Grundsatz der Amtsermittlung und die Kausalitätsvermutung. Darüber hinaus haben Umweltverbände im Verwaltungsrecht ein eigenes Klagerecht.
Im Rahmen der Diskussion stellten die Teilnehmer Fragen zum Maßstab der „Beeinträchtigung“ und zur Grenze des Schadensersatzes. Die Frage zur Beeinträchtigung wurde von Herrn Feige im nachfolgenden Vortrag beantwortet. Auf die Frage nach der Begrenzung des Schadensersatzes wies Herr Murmann-Suchan darauf hin, dass es im Bereich des Verwaltungsrechts wegen des hohen öffentlichen Interesses keine Begrenzung des Schadensersatzes gibt, in der Praxis aber eine Begrenzung. Eine weitere Frage betraf den Aufbau der Abteilung für gemeinnützige Klagen bei der Staatsanwaltschaft. Die chinesische Seite antwortete, dass die Staatsanwaltschaft eine spezielle Abteilung für Umweltrechtsstreitigkeiten hat, die von spezialisierten Mitarbeitern geleitet wird. Des Weiteren ging es um die Frage, nach welchen Kriterien ein „erhebliches Risiko“ festgestellt wird, um eine vorbeugende Klage zuzulassen, und unter welchen Voraussetzungen Umweltorganisationen klagen können. Herr Murmann-Suchan antwortete, dass in Deutschland die Aufgabe der Vorbeugung vor allem von den Behörden wahrgenommen wird und dass die durch den Umweltschaden gefährdete Person oder ein Umweltverband Klage beim Verwaltungsgericht erheben können, wenn die Behörden nicht tätig werden. Die Voraussetzungen für eine Verbandklage sind in einem eigenen Gesetz geregelt, das unter anderem verlangt, dass der Verband nicht wirtschaftlich tätig ist und dauerhaft seit mehr als drei Jahren besteht.
Das zweite Thema befasst sich mit den Beweisfragen in Zivilverfahren für umweltbezogene Delikte. Der chinesische Referent war Herr Song Chunyu, Richter der Kammer für Umweltressourcen des Obersten Volksgerichts von China. Sein Beitrag handelte von den Beweisregeln für Zivilprozesse über Umweltdelikte. Diese Regeln beruhen auf den Beweisregeln für Zivilprozesse und sind in zwei Teile unterteilt: Klage im öffentlichen Interesse und im privaten Interesse. Ihr Schwerpunkt liegt auf en Befugnissen des Gerichts zur Beweiserhebung, insebesondere durch Einholung von Sachverständigengutachten.
Der Beitrag der deutschen Seite kam von Herrn Norbert Feige, Rechtsberater des deutsch-chinesischen Programms Rechtskooperation, und behandelte das Thema „Umweltschäden im Zivilrecht, insbesondere Beweisfragen“. Solche Verfahren sind in Deutschland vergleichsweise selten. Bei Umweltschäden können sich zivilrechtliche Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung von Beeinträchtigungen, auf finanziellen Ausgleich oder auf Schadensersatz ergeben. Anders als im Verwaltungsrecht gibt es im Zivilrecht keine Verbandsklagen. Es gibt auch keine Musterklagen. Klagen kann in Deutschland nur derjenige, der in eigenen Rechten beeinträchtigt ist. Das Umwelthaftungsgesetz vom 10. Dezember 1990, ein spezielles Gesetz des Zivilrechts, erleichtert dem Geschädigten die Beweisführung und mindert das Risiko für Geschädigte, weil Betreiber von gefährlichen Anlagen z.B. durch eine Haftpflichtversicherung dafür sorgen müssen, dass etwaige Ansprüche auch erfüllt werden können. Im Prozess beauftragt das Gericht Sachverständige in der Regel nur auf Antrag der Parteien. Die unterliegende Partei muss mit den Kosten des Rechtstsreits auch die zuweilen erheblichen Kosten des Sachverständigen tragen.
In der Diskussion stellte die chinesische Seite Fragen zu den Kriterien für die Kausalitätsvermutung in Deutschland. Herr Norbert Feige erklärte, dass das deutsche Recht diese Frage mit dem Standard der „Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung“ unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls regelt. Es besteht für den Betreiber einer Anlage die Möglichkeit, die Kausalitätsvermutung zu entkräften. In der Diskussion ging es ferner um die Frage, wie das gericht zu verfahren habe, wenn beide Parteien einander widersprechende Privatgutachten vorlegen. Ein deutsches Gericht wird sich in einem solchen Fall nicht für eines der Privatgutachten entscheiden, sondern selbst ein Gutachten einholen und entsprechend der Beweislast entscheiden würde.
Schließlich fasste Frau Liu Zhumei, Präsidentin der Kammer für Umwelt und Ressourcen des Obersten Volksgerichts Chinas, das Seminar zusammen. Sie sagte, dass es viele Ähnlichkeiten in den Konzepten des Umweltschutzes zwischen China und Deutschland gibt, und hoffte auf eine weitere Zusammenarbeit in diesem Bereich. Herr Norbert Feige, Rechtsberater des deutsch-chinesischen der GIZ, schloss seine Rede mit den Worten, dass die Veranstaltung das gegenseitige Verständnis zwischen beiden Seiten im Bereich der Umweltgerechtigkeit gestärkt und eine gute Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit geschaffen habe.